Thomas Horak
Kindheit + Jugend
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© 2013 Thomas Horak

Thomas Horak

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Kindheit + Jugend

Mit zwölf Jahren fuhr ich das erste Mal illegal mit dem Moped meiner Schwester. Mit dreizehn wurde mir das Dorf zu eng und ich ließ mich für die Kinder- und Jugendsportschule für Wasserfahrsport in Köpenick anwerben. Der Sportclub Berlin-Grünau hatte sich fest vorgenommen, aus mir einen im Renn-Canadier erfolgreichen Leistungssportler zu machen. Ich habe in dem knappen Jahr an der Grünauer Regattastrecke vor allem endlich schwimmen gelernt (wenn auch nicht ganz freiwillig), dabei allerdings auch in Höhe Bammelecke bei Schmöckwitz meine Zahnspange in der Dahme eingebüßt.

Ein Renn-Canadier ist ein sehr schmales Boot, in dem man kniet und das Stechpaddel nicht nur dazu verwenden muss, um vorwärtszukommen, sondern auch um das Gleichgewicht zu halten. Steigt man als Neuling das erste Mal auf der einen Seite in ein solches Boot, fällt man üblicherweise auf der anderen gleich wieder ins Wasser - in meinem Fall allein am ersten Tag 46 mal. Als im Herbst das Flusswasser deutlich kühler wurde, stieg auch das Bedürfnis, so lange wie möglich trocken zu bleiben. Es gab viele Ursachen, die den besten Vorsatz zunichtemachen konnten: heftige Windböen, hoher Wellengang, Motorboote mit lustigen Skippern am Steuer, Treibholz. Mein schönster Ausstieg fand an einem wunderbar kühlen und windstillen Februarmorgen statt. Völlig entspannt, aber auch kraftvoll, glitt ich auf meinem spiegelglatten Lieblingsfluss dahin, als ich mit dem Paddel eine dünne, unsichtbar im Wasser treibende Eisscholle traf: dünn genug, um von mir übersehen zu werden, doch dick genug, um meinem Paddel einen deutlichen Widerstand entgegenzusetzen. Das so urplötzlich auftretende Kippmoment traf mich absolut unvorbereitete und warf mich über die andere Bordseite ins eisgekühlte Gewässer. Wahrscheinlich wegen der Kälte an diesem Tag trug ich zufällig die Schwimmweste, die sonst immer unbeachtet hinter mir im Boot lag. Ich kann Ihnen versichern, dass es für einen normalen, mageren Jugendlichen unmöglich ist, mit verkrampfenden Muskeln dreihundert Meter im Zickzack zwischen unsichtbaren Eisschollen an Land zu schwimmen. Ein Sportkamerad, der meinen Sprung ins Wasser bemerkte und mir zu Hilfe kam, zog mich mit seinem Canadier, an dem ich mich mit letzter Kraft festklammerte, an Land. Der Trainer traf dann ebenfalls bald mit seinem Motorboot ein, nur um mir mitzuteilen, dass ich bitteschön den Rückweg zum Bootsanleger zu Fuß zurückzulaufen hätte. Also bin ich bei Frost die sechs Kilometer mit quietschnassen Klamotten zurück zum Sportclub gejoggt und war auch noch tierisch genervt, weil sich die Leute auf dem Gehweg wegen des ungewohnten Geräuschs nach mir umdrehten. Tja, so war das mit dem Leistungssport in DDR - was uns nicht umbringt, macht uns härter, nich?

Ein knappes Jahr später zurück in der Heimat machte ich mit fünfzehn den Mopedführerschein, mit sechzehn fuhr ich dann legal Motorrad. Abschluß der zehnklassigen Polytechnischen Oberschule in Hohenbucko mit Auszeichnung. Da in meinem Abschlussjahr die damit verbundene Geldprämie gestrichen wurde, boikottierte ich den Fahnenappell in der Schule, bei dem mir vor versammelter Schülerschaft die Lessingmedaille überreicht werden sollte. Die Zeit verwendete ich lieber zum Jobben beim Kanalbau im Dorf, um mir das Geld für meine Sport-AWO zu verdienen.